• Schreiben Sie uns!
  • Druckansicht
Anscheins- und Duldungsvollmacht 
02.04.2024

LSG Niedersachsen-Bremen: Ehemalige Grundsicherungsempfängerin haftet für Sozialbetrug ihres Lebensgefährten

ESV-Redaktion Recht
LSG Niedersachsen-Bremen: Klägerin haftet nach den Grundsätzen der Anscheins-und Duldungsvollmacht für das Handeln ihres Lebensgefährten (Foto: MQ-Illustrations / stock.adbe.com)
Muss eine Person, die sich gegenüber dem Jobcenter von einem Dritten vertreten lässt, auch dann für Handlungen ihres  Vertreters, die sie betreffen, einstehen, wenn sie nichts davon wusste? Hierzu hat sich das LSG Niedersachsen-Bremen vor Kurzem geäußert.


In dem Streitfall hatten eine Frau aus Hannover und deren Tochter, die 2006 geboren wurde, geklagt. Die Mutter bezog mit ihrem Lebensgefährten, der gleichzeitig Vater der Tochter war, seit 2005 Leistungen zur Grundsicherung. Die Anträge der Bedarfsgemeinschaft stellte der Lebensgefährte.

Nach dem Ende der Elternzeit der Kindesmutter im Jahr 2008 sollte der Lebensgefährte die Mutter aus der Bedarfsgemeinschaft beim Jobcenter abmelden, weil diese ihren Lebensunterhalt nun selbst bestreiten konnte. Anstatt die Mutter abzumelden, leitete der Lebensgefährte die Leistungen aber auf ein anderes Konto um und fing sämtlichen Schriftverkehr hierzu ab.

Einige Jahre später erfuhr das Jobcenter über eine Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung von der Beschäftigung der Mutter und verlangte von dieser etwa 11.000 EUR zurück. Einen Teil der Forderung beglich die Mutter in Raten.

Nach dem Ende der Beziehung und der Verurteilung des Lebensgefährten wegen Sozialleistungsbetrugs klagte die Mutter gegen das Jobcenter. Sie war nun der Auffassung, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Von den Handlungen ihres damaligen Lebensgefährten hatte sie nach ihrem Vortrag erst erfahren, als bei ihrem Arbeitgeber eine Gehaltsanfrage des Jobcenters eingegangen war. Daher, so die Mutter weiter, könne sie sich auf Vertrauensschutz berufen. 

Das Jobcenter meinte, dass die Klägerin sich das Verhalten ihres damaligen Lebensgefährten zurechnen lassen muss, und verlangte weiterhin Zahlung. Die Sache landete schließlich vor dem LSG Niedersachsen-Bremen.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


LSG Niedersachsen-Bremen: Grundsätze der Anscheins-und Duldungsvollmacht greifen zu Lasten der Klägerin


Das LSG schloss sich der Auffassung des Jobcenters an. Demnach kann sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen. Vielmehr muss sie sich das Verhalten ihres Lebensgefährten als Vertreter zurechnen lassen. Die weiteren Überlegungen des LSG:

  • Kein Widerruf der Vollmacht: Die Klägerin hatte die Vollmacht, die sie ihrem damaligen Lebensgefährten erteilte, nie widerrufen.

  • Rechtsschein: Vorliegend ist dadurch, dass der Vertretungswille des Lebensgefährten später entfallen war, ein Rechtsschein entstanden. Zu diesem Rechtsschein hatte die Klägerin beigetragen, indem sie ihrem Lebensgefährten vertraute. Wer dazu beiträgt, dass ein anderer für ihn wie ein Vertreter auftritt, muss sich auch dessen Verhalten zurechnen lassen – und zwar nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht.
  • Vorrang der Rechtsverkehrs: Zum Schutz des Rechtsverkehrs ist es dem LSG zufolge Sache des Vollmachtgebers, die Vertretungsverhältnisse nach außen hin klarzustellen, wenn im Innenverhältnis die Grenzen der Vollmacht überschritten werden.
Quelle: PM des LSG Niedersachsen-Bremen vom 02.04.2024 zum Urteil vom 27. 02.2024 – L 11 AS 330/22


HAUCK/NOFTZ Modul SGB XII: Sozialhilfe

Autoren: Prof. Dr. Johannes Falterbaum, Prof. Dr. Guido Kirchhoff, Prof. Dr. Thomas Klie, Dr. Ines Klinge

Sprechen Sie uns zur günstigen Bürolizenz für bis zu drei Mitarbeiter und weiteren attraktiven Lizenzen gerne an – Telefon (030) 25 00 85-295 oder KeyAccountDigital@ESVmedien.de.

Jetzt gratis testen. Lernen Sie die Datenbank HAUCK/NOFTZ Modul SGB XII: Sozialhilfe für 4 Wochen kostenlos, unverbindlich und ohne Risiko kennen.

Existenziell: HAUCK/NOFTZ SGB XII

Tragfähige Entscheidungen in allen Fragen zur Sozialhilfe treffen Sie mit diesem Kommentarwerk. Das garantieren die praxisorientierten Erörterungen der exzellenten Autoren aus Judikative, Exekutive und Hochschulen um Bandherausgeber Prof. Dr. Ernst-Wilhelm Luthe, Professor für Öffentliches Recht und Sozialrecht an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften und Universität Oldenburg (apl.) - in jedem Fall.

Der Band HAUCK/NOFTZ SGB XII, Gesamtherausgeberin Prof. Dr. Dagmar Oppermann, gehört nicht von ungefähr zu den vom Bundessozialgericht meistzitierten Kommentaren:

  • Das gesamte SGB XII wird erläutert – en détail. Man findet genau das, was man sucht. Jede nur denkbare Fallkonstellation.
  • Viele lösungsorientierte Hinweise und die Darstellung von Anknüpfungspunkten an das übrige Sozialrecht helfen bei der konkreten Rechtsanwendung.
  • Fortlaufende Updates halten Gesetzestexte und Rechtsprechung ständig auf dem neuesten Stand.

Inhaltliche Vorzüge der Datenbank:

  • Tagesaktuelle Gesetzesstände: Entscheidungssicherheit im Direktzugriff.
  • Archiv mit früheren Rechtsständen: Geltendes Recht auf den Zeitpunkt genau anwenden.
  • Aktuelle Meldungen der ESV-Redaktion zu Entwicklungen im Sozialrecht: Wichtige Informationen aufbereitet und zusammengefasst.

Technische Vorzüge der Datenbank:

  • Automatische Updates: Der Ticker „Neue Dokumente“ verweist direkt auf aktualisierte Inhalte.
  • Leistungsfähige Suchfunktion: Eine echte Garantie für effiziente Recherchen.
  • Nutzerhistorie: Die Datenbank merkt sich die zuletzt verwendeten Dokumente und ordnet sie tabellarisch an.
Verlagsprogramm Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 


(ESV/bp)